Von versteinerten Wäldern und Flamingos

Von versteinerten Wäldern und Flamingos

Nach den vielen Tierbegegnungen kehrten wir der Ostküste den Rücken zu und fuhren ins Landesinnere zu den versteinerten Wäldern. Es gab zwei davon zu besichtigen und beide waren es wert. Der erste zeigte ganze Bäume in einer Ebene aus der Zeit vor 150 Millionen Jahren, im zweiten konnte man 90 Millionen Jahre alte Bäume im Erosionsprozess besichtigen – wie sie permanent von Wind und Wetter vom Sand freigelegt werden und zum Teil abbrechen. Da lagen viele versteinerte Holzschnipsel umher – so viele, dass man praktisch wie auf einem Teppich darauf marschierte. Völlig überrissen schien uns die Forderung, alle Taschen im Auto zu lassen. Nach dem Rundgang wurden wir auch noch durchsucht, ob wir etwas in den Taschen mitlaufen lassen. Dabei hatte es Hunderttausende von solchen versteinerten Schnipseln, die man sogar jedem Besucher als Andenken mitgeben könnte, ohne dass es auffallen würde, zumal die Natur jeden Tag eine Vielzahl neuer Schnipsel kreiert…

Eine ungeteerte Piste zum versteinerten Wald war in sehr schlechtem Zustand. Starker Regen hatte sie teilweise in Morast verwandelt. Rubi war unglaublich vollgespritzt und hatte durch den Dreck entsprechend viel Übergewicht. Neben einer der Pisten gab es eine neue Strasse, die für den Verkehr aber noch nicht freigegeben worden war. Da es darauf viele Autospuren hatte, wagten wir es auch. Es zeigte sich bald, dass die Strasse nie durchgehend fertiggestellt worden war und bereits schon wieder am Zerfallen ist. Grasbüschel haben sich das Strassenbett denn auch schon zurückerobert, was uns vermuten lässt, dass sie schon vor etlichen Jahren gebaut worden ist. War einfach mal das Budget aufgebraucht? Ist der Geldsegen von irgendwo plötzlich versiegt? Hat die Regierung gewechselt und Anderes wurde wichtiger?

Unterwegs – auf einer Ruta, die von Google Maps als schnellste Variante zu unserem Ziel vorgeschlagen wurde – kamen wir ohne Vorwarnung zu einem Warnschild am Strassenrand: «Keine Durchfahrt ohne Festnahme!». Was tun? So tun, wie wenn wir die Botschaft nicht verstanden hätten? Nach kurzer Zeit kam uns ein Auto entgegen. Wir beschrieben dem Fahrer das Problem und fragten ihn um Rat. Der meinte nur: Kein Problem, ist die richtige Strasse – was sich als korrekt herausstellte ohne negative Konsequenzen. Uns bleibt die Frage: Was also gilt in diesem Land? Was ist ernst zu nehmen?

Nach den versteinerten Wäldern wollten wir wenn immer möglich mal auf geteerter Strasse über die Grenze nach Chile, denn durch das ausgiebige Fahren auf Pisten wurde der Rücken doch ein wenig strapaziert. Die eine Strassenkarte zeigt die Ruta 26 als geteert für den Grenzübergang. Die Ruta 260 existierte nicht darauf. Auf der anderen Map wurde die Ruta 260 als geteert aufgeführt und die Ruta 26 als Piste. Was glauben? Wir tankten auf der Ruta 40 (Hauptstrasse!) nahe der Grenze nochmals und fragen den Tankwart, welche der beiden denn geteert sei. Ohne zu zögern nennt er die 260 – was sich als falsch erwies. Er hatte offensichtlich überhaupt keine Ahnung. Zugegeben hätte er das sicher nie. 

Dank diesem «Irrtum» kamen wir an kleineren Weihern mit 20 Flamingos vorbei. Die wollten wir uns nicht entgehen lassen. Zum Glück führte eine Nebenstrasse (Ruta 55) zu den Weihern. Und so richteten wir uns am Ufer ein für die Nacht und hatten ausgiebig Gelegenheit, die Flamingos zu bewundern. 

Übrigens: Auch in der Pampa kann man wunderbar essen. Natürlich aus der «Bordküche». Ein Menü bestand aus Risotto al Champiñones. Das Ergebnis war aussergewöhnlich: Der Weisswein, den wir benutzten, entpuppte sich als Dessertwein! Er hätte auch gut für einen Apero gepasst. Das überraschende: der Risotto hat wunderbar geschmeckt. Ob wir das für unsere Besucher nochmals so hinkriegen?

Der Grenzübertritt nach Chile war sehr einfach. Die Beamten waren sehr freundlich. War es vor der Grenze auf der Ebene noch wüstenartig, veränderte sich die Landschaft abrupt: Schon der erste Hügel auf chilenischem Gebiet war grün mit Bäumen. Die Felder waren bewässert und die Strasse geteert. Ein zarter Hinweis auf das Verhältnis dieser zwei Staaten zueinander? Wir sind gespannt, wie es sich in Chile anfühlt…

Nun geniessen wir ein paar Tage in Coyhaique,  der südlichsten chilenischen Stadt auf der Carretera Austral, und ziehen ein erstes Fazit unserer Reise: Wir «verstehen» die Argentinier eigentlich noch nicht und wissen nicht, was sie beschäftigt und wie sie «ticken». Ein wesentlicher Grund ist sicher  noch unser sprachliches Defizit. Argentinier (und auch Uruguayaner) sprechen eine Spanischversion, die sie Rioplatense nennen. Im Gegensatz zum «offiziellen» Spanisch (Castellano) werden «y» als «sch» ausgesprochen und Endungen konsequent verschluckt – selbstverständlich in zungenbrecherischem Tempo (für unsere Ohren). Um Euch einen kleinen Eindruck zu geben:  für «hallo, ich heisse Juan. ich bin Uruguayaner und ich wohne hier» würde man als Spanischsprachschüler “hola, me llamo Juan. Yo soy Uruguayo y yo vivo aqui” erwarten. Phonetisch geschrieben im üblichen Tempo wäre das hier in etwa: hola, meschamochuan. Schososchuruguascho yschovivoascha. Für die Menschen hier ist das Spanisch. Sie kennen nichts anderes und langsamer sprechen können die Meisten nicht. Tröstlich, dass umgekehrt auch Argentinier die Untertitel lesen müssen, wenn sie sich einen Film auf Castellano-Spanisch ansehen, wie Jorge (vor deren Haus wir in Buenos Aires übernachtet hatten) gestand.

Eigentlich wollten wir reisen UND leben. Mehrheitlich ist es aber beim Reisen geblieben. Zwar langsam, aber ohne lange Unterbrechungen. Das Wetter war auch sehr unterschiedlich.  Kaum stabile Schönwetterphasen, mehr oder weniger starker Wind und je südlicher wir kamen, desto kälter wurde es. So haben wir unser Vorzelt nicht ein einziges Mal aufgestellt. Draussen Verweilen konnten wir nur im Ausnahmefall und nur für kurze Zeit. Sommer sieht im Moment anders aus…

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