Die abenteuerliche Fahrt von Rubi in Fussfesseln

Die abenteuerliche Fahrt von Rubi in Fussfesseln

Doch bevor es dazu kam, galt es erneut, ein paar bürokratische Hürden zu überwinden. In Chile – genauer gesagt in Coihaique – angekommen, brauchten wir natürlich wieder eine lokale Prepaid-Sim-Card. Die war schnell gekauft, gekoppelt mit Internet für 1 Giga innerhalb 7 Tagen. Damit das Ganze nachhaltig ist, braucht es noch die Registrierung, denn ohne die wird die Sim-Card nach 30 Tagen gesperrt. Leider funktioniert das für ausländische Touris nicht online. Das merkt man aber erst nach mehrmaligen vergeblichen Versuchen. Also auf zur Entel-Agentur, wo emsiges Treiben herrschte. Wir warteten sehr geduldig bis wir an der Reihe kamen, erklärten unser Problem der ersten jungen Dame und dann der zweiten und staunten über die offensichtliche Komplexität unseres Falles. Die zwei holten sich Rat bei einem Dritten und verlangten dann unsere Ausweise – nicht nur den Reisepass, sondern auch das Leumundszeugnis, das uns die Polizei an der Grenze am Schalter «Migracion» ausgestellte. Nun wurde «alles» abgeschrieben und mit Handy fotografiert – quer- und hochformatig. Und wir warteten wieder sehr geduldig, ohne die Miene zu verziehen – ausser einem (hoffentlich) freundlichen Lächeln. Letztendlich zufrieden mit ihrer Unterstützung beschieden sie uns, die Registrierung würde nun geprüft und das könne «ein wenig» dauern. Wie lange ? So zwei bis drei Tage. Wir würden dann benachrichtigt…

Vorsorglich hatten wir uns vor der Abreise noch chilenische Peso gekauft. Aber bei einem Wechselkurs von 1:800 muss man schon aufpassen, dass der Geldbeutel nicht aus allen Nähten platzt. Unser Vorrat an lokaler Währung war also beschränkt und so suchten wir uns einen Bancomaten. Banken gab es genügend, nur waren die Geldspucker nach Schalterschluss (zeitlich wie bei uns) nicht mehr zugänglich oder sie quittierten unseren Bezugswunsch mit einer banalen Fehlermeldung. Error 445 und Error 455 waren ausreichende Erklärungen für uns, um den nächsten Bancomaten zu suchen. Und siehe da: Es gab EINEN, der während 24 Stunden geöffnet ist und so stellten wir uns in die Warteschlange… Wir wissen jetzt: Es gibt nicht nur russisches und afrikanisches Roulette, sondern auch Bankenroulette.

Der Besuch der Insel Chiloé war vorgemerkt in unserem «Masterplan». Offen war, wie wir auf die Insel gelangen. Um nicht zweimal den gleichen Weg fahren zu müssen, kamen wir auf die Idee, die Autofähre zu buchen für die Überfahrt von Puerto Chacabuco nach Quellón auf der Insel Chiloé mit sieben Zwischenstationen. Unsere Onlinebuchung wollte das System leider nicht seinfach so akzeptieren. So blieb uns erneut nur der Gang zur Agentur von navieraustral.cl. Die schafften das problemlos. Auf die Frage, was sie denn anders gemacht haben, als wir, meinten sie nur: «manchmal geht’s und manchmal nicht». «Manchmal» hat man offensichtlich einfach Glück.

Coihaique liegt mitten in den Anden. Schnee verziert noch die Gipfel der umliegenden Berge. Die Landschaft ist wunderbar grün und «saftig». Darum liessen wir uns die Drei-Seen-Rundfahrt in der Nähe nicht entgehen. Es sieht eigentlich aus wie zu Hause im Sommer. Leider bestand kaum die Möglichkeit, Zeit am Wasser zu verbringen. Alles war eingezäunt.

In der Stadt Coihaique hatten wir den Campingplatz gewählt, der am nächsten zum Stadtzentrum liegt und von dem aus wir zu Fuss unsere Besorgungen machen konnten. Dort trafen wir zwei Schweizer mit Camper, vier Deutsche mit Zelt und Motorrad und zwei Englänger, unterwegs mit Zelt und ÖV. Am Abend organisierten wir spontan ein gemeinsames Asado – Fleisch vom Grill mit Salaten. Unbeschwert, lustig und feuchtfröhlich. Die Anderen beschlossen, sich wieder in Bariloche zu treffen, um die Weihnachtstage zu verbringen und wir machten uns danach auf nach Puerto Chacabuco zur Fähre.

Anstatt um 20Uhr gemäss Internet sollten wir schon um 16Uhr im Hafen sein.  Wir melden uns schon frühzeitig um 14Uhr am Hafeneingang, um «sicher» zu sein. Der Eine beschied uns, wir sollten um 15Uhr wieder kommen, die Andere korrigierte auf 16Uhr. Um 16.30 durften wir unser Rubi auf die Fähre fahren und auf dem hintersten Platz in der Ecke abstellen. Kaum ausgestiegen waren die Räder auch schon vorne und hinten festgezurrt. Rubi sah wirklich aus wie ein Schwerverbrecher auf dem Weg ins Gefängnis. Bis zur geplanten Abfahrt um 18Uhr war die gesamte Ladefläche voll mit Lastwagen und erstaunlich vielen Passagieren – doch danach passierte NICHTS. Kaum Reaktionen auf dem Schiff unter den vielen Chilenen: es ist halt so. Warum aufregen? Es sah so aus, wie wenn Viele zu ihren Familien heimfahren würden über die Feiertage mit Kind, Sack und Pack und Weihnachtsgeschenken.

Das «Problem» war um 22.30 dann gelöst und wir verliessen den Hafen für die geplante 30 stündige Fahrt nach Quellón – bei vollkommener Dunkelheit und scheusslichem Wetter. Von der eindrucksvollen Fjordlandschaft haben wir kaum etwas mitbekommen. Ist draussen wegen des Wetters nichts zu sehen, wird es doch eher langweilig auf dem Kahn. Eine Landung wird so zur Unterhaltung. Es ist erstaunlich, in welchem Ausmass eine Fähre die nötige Versorgung sicherstellt und wie viele Menschen zusteigen oder die Fähre verlassen. Spannend, wie da die Ladefläche für die Autos «bewirtschaftet» wird. Um jeden Zentimeter wird gerungen. Bewundernswert, mit welcher Präzision und Ruhe die chilenischen Fahrer ihre langen Lastwagen, zum Teil mit langem Anhänger auf dem Schiff centimetergenau retour platzieren. Und dazwischen immer wieder wilde Hunde. Jeder angesteuerte Hafen scheint offensichtlich «seine» Hunde zu haben, die die Fähren besuchen. Einer musste gar vom Schiff gejagt werden, sonst wäre er mitgefahren…

Die angelaufenen «Häfen» wurden immer spartanischer: Der Vierte bestand aus einer Rampe ohne Strasse, nur mit Fussweg und Booten, der Fünfte entpuppte sich als Kieselstrand, an dem die Fähre «andockte» und die Wartenden im strömenden Regen unter den Bäumen hervorkamen. An Nummer sechs konnten wir wegen Wind und Wellen erst nach drei Versuchen anlegen – nachdem das Schiff während 7 Stunden in einer ruhigen Bucht geankert hatte – und Nummer sieben wurde wegen der zeitlichen Verspätung schon gar nicht mehr angesteuert. Zum Glück war das Schiff relativ schlecht besetzt. So gab es genügend Platz, um sich auszubreiten und ein wenig zu schlafen.

Die letzte «Etappe» zum Zielhafen hatte es dann in sich: Sie führte aufs offene Meer mit entsprechend hohem Wellengang. Dank konsequentem «Reisedoping» haben wir auch diesen wilden Ritt durch die Wellen gut überstanden. Und dank den Fussfesseln blieben Rubi und alle Lastwagen an ihrem vorgesehenen Platz. Nicht auszudenken, wie Rubi sonst ausgesehen hätte…

Mit 12 stündiger Verspätung kamen wir am Ziel an. Eine Familie aus Zürich mit ihren 4 Kindern, die während 2 Monaten mit Zelt unterwegs sind, hat es gefreut, denn so konnten sie sich eine Übernachtung sparen. So hat jeder seinen Massstab.

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