Die coolen Ferien am brodelnden Berg

Die coolen Ferien am brodelnden Berg

Wir haben sie gefunden, die Gelegenheit zum Ausruhen! Sieben Tage über den Jahreswechsel im überschaubaren Städtchen Coñaripe bei herrlichem Wetter am schwarzen Strand des Lago Calafquén. Es lässt sich wunderbar faulenzen, lesen, die Sonne geniessen und beobachten, zum Beispiel die Pedalo- und Kanufahrer, die hier – auch in Strandnähe – ausnahmslos mit der Schwimmweste unterwegs sind:  ist das Sicherheitsbedürfnis so gross, oder können sie einfach nicht schwimmen? Oder die Patrouille der Policia Maritima, die scheinbar ziellos mit ihren Wasserscootern effekterhaschend den Strand hinauf und hinunter rasen: Wen beschützen sie? Wen wollen sie unter Kontrolle behalten? Warum brauchen sie Taucherbrille, Schnorchel und Flossen? Nicht zu überhören sind die vielen fliegenden Händler, die im Fünfminutentakt dem Strand entlang marschieren und lauthals ihre Ware anpreisen: Von Sonnenbrillen und Schwimmringen bis zu Mineralwasser, Glacé, Popkorn, Schleckzeug und Berliner. Und die Chilenen konsumieren, wie wir auch. Zum Glück sind sie überhaupt nicht aufdringlich, nur laut. Man muss sich schon bemerkbar machen, damit sie stehenbleiben.

Coñaripe liegt am Fusse des aktiven Vulkans Villarica – und damit quasi in der Evakuationszone im Notfall. Und so schauen wir regelmässig vom Strand aus, wie es ihm im Moment «so geht». Mit seiner «klassischen» Form ist er nicht zu übersehen, oben mit Schnee bedeckt und mit leichter Rauchwolke. Nichts Bedrohliches, und doch: Sein letzter Ausbruch war 2015. Die Menschen leben mit dieser Gefahr und haben sich darauf vorbereitet – und hoffen, dass schon nichts «Gravierendes» passieren wird. Bergtouren an den Kraterrand werden weiterhin durchgeführt. Schliesslich ist der Blick in den brodelnden Krater und das anschliessende Hinunterschlitteln auf Plastiktellern DAS Kriterium, diesen Berg zu erklimmen. Die Gase, die man dort abbekommen könnte, scheinen jedoch nicht gerade gesund zu sein, sonst würden die Führer den Aufenthalt oben ohne Gasmaske nicht auf 5 Minuten beschränken. Wir begnügen uns mit dem ehrfürchtigen Blick hinauf. Immer um 12Uhr mittags ertönt für kurze Momente eine Sirene – vermutlich als regelmässiger Funktionstest des Warnsystems gedacht. Bis an einem schönen Morgen um halb sieben die Sirene losgeht. Augenblicklich sind wir hellwach und harren im Bett der Dinge, die da passieren könnten. Ein Fahrzeug mit Sirene ist zu hören. Was fährt da, warum und wohin ? Zum Glück bricht keine Hektik aus, alles bleibt ruhig.  Später erfahren wir, dass die Sirene auch als Feuermeldesystem funktioniert und Auskunft gibt, ob es innerhalb oder ausserhalb des Städtchens brennt.

Camping heisst in Chile immer auch Picknick und Picknick bedeutet Fleisch auf dem Grill. Und so stehen auf den Campingplätzen auf jeder Parzelle auch Feuerstellen mit Rost. Die Chilenen übernachten im Zelt oder kommen einfach nur für den Tag, mit Auto und grosser Auslegeordnung. Und grundsätzlich grilliert jeder für sich. Woran erkennt man, dass wir keine Chilenen sind? Wir benutzen die Tische ohne Tischtuch, schleppen weder Friteuse noch Gaskocher und grosse Pfannen an und essen auch keine Wurst vom Grill zum Frühstück. Da sie vorzugsweise am Abend tafeln, wenn es dunkel ist, steht auf Luxuscampings bei jeder Grillstelle auch eine Lampe, um den heiligen Vorgang zu beleuchten.

Seitdem wir die Insel Chiloé verlassen haben, befinden wir uns in der Region «siete Lagos». So fahren wir von einem See zum anderen. Es ist auch die Region der vielen, wunderbaren Wasserfälle und der unzähligen Vulkane, viele inaktiv, wie auch der Vulkan Casablanca, an dessen Hängen sich ein Skigebiet befindet mit Sesselliften und Hotel sowie mit Zufahrtsstrasse bis zum Kraterrand, natürlich mit den dazugehörenden Anweisungen zur Evakuation. Das wollten wir uns nicht entgehen lassen. Auch wenn es im Krater schon länger nicht mehr gebrodelt hat: Es war eindrücklich.

Uns fällt auf, dass alles in Privatbesitz ist. Die Strassen und Wege sind durchwegs beidseitig eingezäunt. Einen Spaziergang durch den Wald oder über ein Feld ist – nach bisheriger Erfahrung – in Chile praktisch unmöglich. Und so wird kräftigt Kasse gemacht. Huilo Huilo ist ein klassisches Beispiel dafür. Es besteht aus mehreren riesigen Hotelkomplexen und den kurzen und schönen Spazierwegen im Wald zu 4 Wasserfällen. Zu jedem Wasserfall muss man 3500 Peso (ca 5 Fr) bezahlen, nicht nur wir Ausländer, auch die vielen chilenischen Touristen bezahlen den Preis für das Betreten ihrer Natur. Da wird ein Riesenhype daraus  gemacht. Selbst aus 100km entfernten Orten werden geführte Touren für diese Spaziergänge angeboten. Die eigentlich äusserst attraktive Seilbahn zum Aussichtspunkt zum nächstgelegenen Vulkan ist jedoch nicht in Betrieb. Nur im Januar und Februar. Werbung damit wird aber das ganze Jahr über getrieben. Dass man es mit dem Bezahlen nicht allzu Ernst nehmen muss, erfahren wir auch hier. Während der eine Ticketverkäufer unbedingt den Preis für 4 Wasserfälle verlangt (und einen «vergünstigsten Generalpass» vorschlägt) und wir deshalb nur mal ein Ticket für einen kaufen, erkennen wir, dass man problemlos zwei Wasserfälle für ein Ticket besuchen kann (weil der Zweite ohne Kassenhäuschen) und dass wir am Folgetag (einem Samstag) für die anderen zwei gar kein Ticket kaufen können, weil es nicht besetzt ist…

Die Tour in den Vulkanuntergrund des Villarica hatten wir uns für den ersten Regentag nach der Schönwetterphase aufgespart: Ein imposantes Höhlensystem, das von einem Lavastrom geschaffen wurde. Die Führung wurde ergänzt durch Erklärungen über die Plattentektonik im Raum Chile, die unterschiedlichen Vulkantypen und die Schwingungen (Erdbeben), die einem Ausbruch (normalerweise) vorangehen. Sehr informativ und eindrucksvoll. Der Guide erwähnte auch nebenbei, dass der Vulkan von den Geologen der Kategorie gelb (also aktiv) zugeordnet ist – was eine Chilenin erschrocken sagen liess: «WAS ? GELB ?»…

Wo Vulkane sind, gibt es auch Thermen, auch die alle in Privatbesitz. Es gibt fast alles, mit oder ohne zusätzlicher Infrastruktur wie Restaurant, Hotel, Spa und Massagen, naturbelassen oder architektonisch gestalltet. Die Auswahl fällt schwer, wir lassen uns etwas vom Zufall leiten plus vom Regenwetter und wählen eine aus, die auch einen überdachten Bereich hat. Wirklich sehr schön gemacht.

Seit einem Monat sind wir nun in Chile und so können wir uns schon mal einen bescheidenen Vergleich zu Argentinien erlauben: Während es in Argentinien in fast jedem Kaff eine Panaderia gibt, die ein Frühstück mit Gipfeli und Capucchino anbietet, findet man dies in Chile nicht. Andererseits haben die Deutschen ihre Spuren bei den Desserts hinterlassen: Hier servieren sie den «Apfelstrudel» und man bekommt «Kuchen» – so ausgesprochen wie bei uns. Wer sich aber auf einen Gugelhopf freut oder auf eine Früchtewähe, wird enttäuscht. Unter «Kuchen» verstehen sie Torten – sehr fein und kreativ, und immer sehr süss.

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