Quer durch Saudi-Arabien an das Rote Meer

Quer durch Saudi-Arabien an das Rote Meer

Der Weg zurück nach Europa beginnt in Dubai, also in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Wie in vielen Grossstädten ist es gar nicht so einfach, einen ruhigen Übernachtungsplatz zu «ergattern». Wir finden ihn auf einer grossen, aufgeschütteten Halbinsel, dem Sunset Beach. Was am Nachmittag öde erscheint, bietet uns beim Abendspaziergang einige Überraschungen: Wie auf einer Perlenkette aufgereiht, sind am Strand kleine, auffällig beleuchtete Openair-Lounges eingerichtet für Verlobungen, Geburtstage und Partys. Manche bieten auch eine Fernsehleinwand mit Lautsprechern für den guten Ton. Privatsphäre scheint nicht so wichtig. Ein besonders kitschiges, transparentes Iglu wird gerade betreten von einem Araber im weissen Dishdash und eine Araberin in schwarzer Abbaya, als wir daran vorbeilaufen. Das Getränk steht schon bereit auf dem Tisch. Wir wären gerne näher dabeigestanden und Zeuge geworden von diesem Tête-à-Tête, wagen es aber nicht, die Beiden zu stören.

Die Fahrt auf dem Kanal ins Zentrum entpuppt sich als Sightseeing der verrücktesten Bauten: Unglaublich, wie hoch, wie eng beieinander, wie schmal, wie verdreht, wie legoartig, wie vielfältig hier gebaut wird. Es leben 3.5 Millionen Menschen in Dubai, davon 85% Ausländer. Dieses Internationale sieht man auch an der Kleidung, von Bauchfrei und Top bis zur Burka ist alles zu sehen – und niemand stört sich daran.

Mit der Metro erreichen wir die «Dubai-Mall». Unglaublich, was es dort alles gibt: Neben jeder Menge Shops und Restaurants auch eine Kunsteisbahn, einen Wasserfall und ein riesiges Aquarium. Und das, ohne dass man das Gebäude verlassen muss. Im Sommer, wenn die Temperatur auf über 50 Grad klettern kann, sind klimatisierte Räume überlebenswichtig. Ein Muster für Städtebau bei uns ab 2050? Der Burj-Kalifa, das imposante, (noch) höchste Gebäude der Welt, steht direkt daneben. Das Wasserfontainenspiel und die Lichterschau am Gebäude sind am Abend sehr eindrücklich. Aber natürlich sind wir nicht die einzigen Zuschauer 😉.

Mit dem Grenzübertritt nach Saudi-Arabien betreten wir nicht nur ein anderes Land, sondern auch eine andere Welt. Während in den Emiraten aus arabischer Sicht eine gesellschaftlich liberale Atmosphäre herrscht, ist «die saudische Welt» streng konservativ. Männer und Frauen sind in der Öffentlichkeit getrennt. Frauen sind kaum sichtbar, und wenn, dann mit Niqab (Gesicht verhüllt, Augen frei). Die Zeit scheint über Jahrhunderte stehengeblieben zu sein. Staatsreligion ist der Wahabismus, eine sehr strenge Auslegung des sunnitisch geprägten Islam, entstanden im 17. Jahrhundert durch den Prediger Wahab, der damit die muselmanische Disziplin erhöhen wollte. In seiner Lehre wurden die Frauen konsequent von der Erziehung und Bildung ausgeschlossen und aus der Öffentlichkeit verbannt. Er forderte, dass sich Männer und Frauen nur getrennt voneinander aufhalten. Offenbar erkannte der damalige König die Gelegenheit, seine Untertanen stärker an die Kandare zu nehmen, denn er erhob die Lehre Wahabs zur Staatsreligion. Waren es die gesellschaftlichen Reformen der Aufklärung in Europa, die überzuschwappen drohten und so von den saudischen Herrschern unterdrückt werden konnten?

Obwohl die staatlich verordneten Kleidungsvorschriften vom amtierenden Regierungschef abgeschafft worden sind, scheinen die Frauen in ihrer sozialen Rolle zu verharren. So kleidet sich der überwiegende Teil sehr traditionell. Wie freiwillig die Gesichtsverhüllung in der heutigen Zeit von Smartphones und Netflix noch ist, ist für uns ganz schwer abzuschätzen. Die Frauen dürfen zwar seit 2019 Autofahren, arbeiten, oder reisen, aber nur mit Einwilligung ihres gesetzlichen Vormunds (Vater, Ehemann, Bruder, Onkel). Gleichberechtigung ist da noch weit, weit weg.

Die Saudis leben unter einer Feudalherrschaft ohne politische Verantwortung. Demokratie hat nicht den gleichen Stellenwert wie bei uns. Das Bewusstsein dafür ist nicht vorhanden, auch nicht bei den Männern. Wie sollen da die Frauen vorangehen? Sie sind es gewohnt, in ihrem sozialen und kulturellen System zu leben und die Rollenverteilung auch zu akzeptieren. Sie bekommen die Kinder, brauchen Sicherheit, zumal der Koran vorgibt, wie sie sich zu verhalten haben. Die Ehe bedeutet häufig ein Mittel zur familiären und wirtschaftlichen Sicherheit wie bei uns bis Mitte des 20. Jahrhunderts. Als Gast muss man zwangsläufig den eigenen Mindset hinterfragen. Wessen Wertvorstellungen sind denn richtiger? Wir jedenfalls können es uns nicht vorstellen, in diesem System dauerhaft zu leben…

Die klassische, arabische Bauweise zeigt sich in burgähnlichen Mauern und Zinnen mit vielen Türmen und Türmchen. Es gibt aber auch die jemenitische Architektur im Süden des Landes im Grenzgebiet zum Jemen zu entdecken. In Jeddahs Altstadt sieht man hingegen spezielle Stadthäuser, die vom einstigen Reichtum der Kaufleute zeugen. Noch herrscht hier aber hoher Renovationsbedarf.

Landschaftlich hat Saudi-Arabien viel zu bieten mit den Wüsten al Hima, al Misma, Nefud, Garamil sowie al Hisma. Es ist spannend, mit Hilfe der Satelitensicht von Google Maps eine Sandpiste durch die Dünen zu finden auf der Suche nach schönen Felsmalereien und Gravuren: Zu sehen sind Jäger mit Lanze, Reiter auf Pferd, lebensgrosse Kamele, grosse Löwen, ganze Herden Steinböcke und Ziegen, aber auch Strausse aus einer Zeit vor 2000 Jahren, als die Gegend noch grün war. Zu bestaunen sind auch die vielen Formen, die Wind und Wasser im Felsen geschaffen hat: tiefe Schluchten, riesige Pylonen, Felsbögen, Schlüssellöcher und Pilze sowie Elefanten, Nashörner, Hasen und Krokodile, die sich bei ausreichender Kreativität und entsprechender Perspektive zeigen.

Auch ein Naturreservat hat Saudi-Arabien zu bieten: das Baydah National Reserve als umzäunter Teil der Himawüste. Darin versucht man, ursprünglich heimische Tiere wie Oryx-Antilope, Gazelle, nubischer Steinbock und Vogel Strauss wieder anzusiedeln, um sie bei entsprechender Vermehrung wieder auszuwildern. Natürlich nutzen wir die Gelegenheit, den Park mit dem Auto zu erkunden. Speziell eine Herde Vogel Strausse erweist sich als sehr neugierig. Sie kommen immer näher ans Auto und inspizieren die Karosserie. Schliesslich schauen wir uns tief in die Augen, nur getrennt durch das Autofenster. Zum Glück, denn ihre Schnäbel sind äussert hart … Das Naturreservat hat nicht nur Tiere zu bieten: eine Sandspur führt durch einen Felsspalt in einen grünen «Innenhof». Dahinter wird es so schmal, dass man zeitweise kriechen muss, um zum hintersten Felsloch, in dem man aufrecht stehen kann, zu gelangen. Landschaftlich sehr schön und abenteuerlich.

Eine grosse Vulkanregion bietet Spektakel: einerseits mit grossartiger Aussicht, andererseits durch das Fahren durch riesige Felder von erstarrter, schwarzer Lava. Ab und zu versperren grosse Steine oder tiefe Gräben die Weiterfahrt. Da hilft nur Aussteigen und die Brocken wegtragen oder auf Spurbreite mit Steinen auffüllen.

Interessant ist, dass in den Bergen im Süden weder Hunde noch Katzen anzutreffen sind. Dafür aber Paviane. Die grossen Herden mit ihrem Nachwuchs sind allgegenwärtig und eine Plage.  Sie holen alles, was sie stibitzen können und sind geübt darin, Abfalleimer zu leeren und Flaschendeckel zu öffnen 😮…

Auf richtungsgetrennten, zweispurigen, mit Palmen gesäumten Autobahnen wundern wir uns über fantastisch angelegte Trottoirs, sensationelle Kreisel mit riesigen Skulpturen in der Mitte und grosszügigste Kinderspielplätze mit Picknickstellen. Allerdings sind weit und breit keine Menschen zu sehen.

Apropos Autofahren: So ruhig und zuvorkommend die Saudis sind, sitzen sie im Auto, zeigen sie ein anderes Gesicht. Im Koran sind noch keine Autos erwähnt. Gibt es wohl deshalb dafür auch keine Restriktionen und leben die Saudis alles am Steuer aus?

Die Menschen sind alle sehr freundlich, wollen wissen, woher wir kommen und bieten uns immer wieder ihre Hilfe an «für den Fall, dass». Unangenehm ist die Gewohnheit der Jungen, alles auf Video festzuhalten, um es danach ins Netz zu stellen. Sie strecken einem sogar die Hand entgegen zur Begrüssung, halten in der anderen das Smartphone und filmen drauf los.

Während unserem Aufenthalt in Saudi-Arabien erleben wir auch den Ramadan, also die muslimische Fastenzeit. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang ist es einem Moslem untersagt, etwas zu trinken oder zu essen. Die Mahlzeiten verschieben sich einfach in die Nacht, jeden Abend wird das Fastenbrechen richtig gefeiert. Für uns ist das jedoch kein Problem, haben wir unsere Wohnküche ja jederzeit dabei 😉

Unsere Reise in diesem wirtschaftlich aufbrechenden Land neigt sich dem Ende zu. Wie gross die aktuellen Herrscher die Entwicklung angehen wollen, zeigt das Grossprojekt «The Line»: Von der Küste aus soll zwischen Neom nach Tabuk ein 170 Km langes, 200 Meter breites und 500 Meter hohes Gebäude in der Wüste entstehen, das für ihre Bewohner alles innerhalb von 15 Minuten bietet, was es zum Leben braucht. Eine autarke 15 Minutenstadt – und dies bis 2045. Grössenwahn oder Vision für zukünftige Lebensformen auf dem Planeten? Baggerfahrer, die beim Aushub engagiert sind, haben wir jedenfalls getroffen. Dass der Umfang bis 2030 auf 2.5 Km reduziert worden ist, gibt Spöttern Aufwind. Aber werden so nicht alle Elemente entwickelt und genutzt, dass sich daraus nützliche Erfahrungen ergeben? Es ist jedenfalls ein überaus interessantes Projekt.

Nun stehen wir am Roten Meer vor dem Grenzübergang zu Jordanien und sind gespannt, wie es sich im haschemitischen Reich so reisen und leben lässt. Wir werden darüber berichten.

🚐 Ja, mit 5 anderen vierrädrigen Kumpels bin ich losgezogen ins grosse Abenteuer. Aber wie das Leben so spielt: Man versteht sich nicht immer gleich gut mit allen. Mit Rocky und Vario habe ich jedoch Freunde fürs Leben gefunden. Zusammen sind wir ein unschlagbares Trio, das sich überall zurechtfindet und sich jederzeit gegenseitig unterstützt😊.

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