Vom Toten Meer an den Rhein – nach Hause

Vom Toten Meer an den Rhein – nach Hause

Saudi-Arabien bleibt uns in Erinnerung mit seinen Wüsten, tollen Landschaften und den Erfahrungen in einem für uns völlig anderen, gesellschaftlichen Umfeld.

Kaum haben wir die Grenze zu Jordanien passiert, bekommen wir die politische Grosswetterlage zu spüren: Unser Navi spielt plötzlich verrückt und fällt zum Teil ganz aus: das GPS-Signal wird von den Israelis grossflächig gestört. Das deutet schon mal nicht auf eine friedliche Nachbarschaft hin…

In Aqaba, dem jordanischen Grenzort am Roten Meer, werden wir, zusammen mit Rocky und Vario, von Yazan, einem Jordanier, den wir alle in Dubai kennengelernt haben, zu einem arabischen Frühstück erwartet. Schon die Security am Eingang des Quartiers lässt erahnen, dass wir in einer exklusiven Wohngegend angekommen sind. Yazan, sein Bruder und seine Freunde erwarten uns in einer traumhaft schönen Wohnung mit Sicht auf das 500 Meter entfernte Israel. Unsere Gastgeber betonen, dass sie Palästinenser sind, dass ihre Vorfahren von den Israelis vertrieben wurden und dass jeder Palästinenser den Schlüssel zum Haus der Vorfahren der nächsten Generation weitergibt als Botschaft, «eines Tages werden wir uns unser Haus zurückholen». Sie betonen auch, dass die ganze Welt zuschaut, was sich die Israelis alles erlauben, dass sich niemand für die Palästinenser einsetzt, dass der israelische Staat keinen Frieden will und dass die ganze Region deshalb keine friedliche Perspektive hat. Wie kann man solchen Einschätzungen entgegnen – ausser mit Verständnis für ihre Gefühle? Wie zur Bestätigung treffen wir am Abend Kinder, die in der Nähe spielen und perfekt Englisch sprechen. Auf unsere Frage, woher sie denn kommen und ob sie Jordanier wären, antworten sie ohne zu zögern: Nein, wir sind Palästinenser!

Nach dem Frühstück werden wir zum privaten Beachclub gefahren. Die anderen Clubbesucher, das Bad im Meer und das Sonnenbad am Pool lassen uns fast vergessen, dass wir uns in einem arabischen Land befinden.

Nach dem Beach geht es direkt ins Zentrum zum Prolog des Jordan-Rally mit der Präsentation der Motofahrer und der Autoteams. Erst werden wir schon gar nicht in die Nähe des Events gelassen. Doch, wie ein Wunder, öffnet sich die Barriere doch noch. Auf unsere Frage, wie das denn möglich wurde, erwidert Yazan, er hätte gesagt, dass wir Mitlieder eines deutschen Rallyteams wären😂. Bald beginnen die Motoren zu röhren für die Ehrenrunde: Fahrer wie Zuschauer scheinen ihren Spass daran zu haben. Umweltfreaks würden einen Kollaps bekommen bei so viel Lärm und dieselgeschwängerter Luft 😷… 

Am Abend werden wir in der Wohnung nochmals verköstigt. Von wegen Planung: Ein Anruf bei der Markthalle genügt und 30 Minuten später liefert ein Kurier eine grosse Platte mit frischem Fisch und Seafood. Es schmeckt fantastisch, die Menge wäre aber auch ausreichend für eine ganze Fussballmanschaft. Offensichtlich soll der Gast nicht das Gefühl bekommen, man wäre kleinlich.

Wie sehr wir uns bei unseren (sehr reichen) jordanischen Freunden in einer Blase aufgehalten haben, sehen wir am Freitag, dem muslimischen Sonntag, am öffentlichen Strand: Es ist unglaublich viel los. Es ist laut, es wird diskutiert, gespielt, gegessen und gebadet (allerdings nur die Kinder). Männer und Frauen sind gemischt, wobei eine Mehrheit der Frauen eine Abbaya trägt mit Kopftuch.

Nach den Tagen im urbanen Umfeld geniessen wir im Wadi Rum wieder eine fantastische Dünenlandschaft bei sagenhaft schönem Wetter. Man kann sich kaum sattsehen an diesen Farbtönen und Formen, die sich je nach Perspektive verändern. Auch Yazan und seine Freunde wollen wieder einmal dieses Weltkulturerbe der UNESCO geniessen und begleiten uns. Kaum sind wir zur letzten gemeinsamen Tour gestartet, hat ihr Auto eine Panne: ein Reifen ist kaputt und flach. Einen Reservepneu haben sie nicht dabei. Der wurde ihnen gestohlen. Nun zeigt sich der kulturelle Unterschied: Wir würden das Problem zuerst lösen und danach Tee trinken. Sie aber nehmen erst mal die Campingstühle raus, kochen Tee, servieren Plätzchen und Salziges und trinken gemütlich Tee – in der Annahme, dass dann schon mal ein Auto vorbeikommen wird mit einem Reserverad, das verfügbar ist.  Unglücklicherweise tut sich nichts dergleichen und so bringt Frank, unser Mitstreiter, den Fahrer zum nächstliegenden Wüstencamp, um Hilfe zu organisieren. Der Guide des Camps hat zwar ein Reserverad, aber kein Werkzeug, um es unter seinem Auto hervorzuholen… Deshalb fährt er mit seinen neuseeländischen Gästen zu uns und wir können unser Werkzeug zur Reparatur beisteuern. Nach 1,5 Stunden sind die Freunde wieder flott und unsere Wege trennen sich vorläufig.

🚐 Uff, die tolle Zeit mit Offroadfahren ist von nun an vorbei. Felsplatten, Steinfelder, scharfkantiges Lavagestein, festgefahrene Erde und tiefer Dünensand wechselten sich ununterbrochen ab und forderten meine Mitstreiter. Habe ich zu starke Plattfüsse, können mich die spitzigen Steine aufschlitzen, habe ich die Bergschuhe satt geschnürt, kann ich stecken bleiben. Es ist ein Hin und Her mit Luftablassen und Aufpumpen und hält sie fit 😉. Sie haben es aber sehr gut gemacht und alle meine vier Füsse sind immer noch intakt👏😊.

Ein weiterer Höhepunkt eines Jordanienaufenthalts ist der Besuch von Petra, der Hauptstadt der Nabatäer, die etwa 1000 Jahre lang von 500 vor bis 500 nach Christus dort wirkten. Genial, wie der Zugang zum Schatzhaus, zum Kloster, zu den Tempeln und zu den Gräbern durch eine enge Felsschlucht geschützt wurde. Unglaublich, die Ausmasse dieser Bauten, die die Bedeutung für die Nabatäer unterstreichen. Fantastisch, wie perfekt diese Denkmäler von den Steinhauern in den Felsen geschlagen wurden. Petra wurde Ende des 18 Jahrhunderts von Johann Burckhardt, einem Schweizer, der sich Scheich Ibrahim nannte, in Zusammenarbeit mit Einheimischen wiederentdeckt.

Kommt man am Toten Meer vorbei, darf ein Bad darin nicht fehlen. Bei seinem hohen Salzgehalt von 30% kann man tatsächlich nicht untergehen. Unproblematisch ist das Ganze aber nicht: das salzhaltige Wasser sollte man weder einatmen noch schlucken. Die Schleimhäute würde Schaden nehmen. Dass der Wasserspiegel 450 Meter unter dem Nullpunkt der Ozeane liegt, spürt man nicht. Landschaftlich ist die Gegend ansonsten nicht sehr attraktiv.

In Amman folgt eine weitere Einladung zum Abendessen, diesmal bei Yazans Eltern. Und so werden wir erneut kulinarisch verwöhnt und bekommen wieder Gelegenheit für vertiefte Gespräche in lockerer Atmosphäre. So erfahren wir auch, wie traditionell das Rollenverständnis und Familienmodell unserer jungen Gastgeber und ihren Freunden noch ist: Der Mann besorgt das Geld, die Frau kümmert sich um die Kinder. Sie sei die «Königin», die es zu beschützen gilt. Von deren Abhängigkeit haben sie nichts erwähnt. Auf die explizite Frage an einen der Unverheirateten, welche Frau er sich denn wünsche, meint der: «Eine gute Mutter für meine Kinder». Ist das die wichtigste Eigenschaft einer Frau für eine Beziehung 🫢? Ein anderer meint: «Ist doch gut, wenn die Mütter eine Ehe einfädeln, denn so ist schon mal sichergestellt, dass die sich gegenseitig mögen und respektieren😊. Das scheint die halbe Miete zu sein für die Beziehung der Heiratswilligen…  Dabei pendeln alle unsere Gesprächspartner frei zwischen unserer westlichen und ihrer arabischen Welt hin und her…

Yazan und seine Freunde lassen es sich auch nicht nehmen, uns Amman und die weitere Umgebung zu zeigen: so haben wir ein Privattaxi mit Privatführer zum Mount Nebo, ins königliche Automuseum, in die Altstadt und hoch zur Zitadelle, mit Abschluss in der einzigen jordanischen Bierbrauerei 🍺😊

Zusätzlich zur Gastfreundschaft werden wir mit Geschenken überhäuft, und zwar in einem Ausmass, welches das Fassungsvermögen von Rubi strapaziert. Als wir alles im Auto deponiert haben, gemütlich in der Kabine sitzen und das Erlebte Revue passieren lassen, hören wir ein «Plopp» – und bemerken verwundert einen Skorpion, der sich von der Spüle auf den Boden fallengelassen hat und nun zur Türe eilt. Er ist gelblich durchsichtig und von der gleichen Art, wie wir einen im Dünensand angetroffen haben – die giftigste Art überhaupt auf der arabischen Halbinsel 🤨. Und das in unserem Wohnzimmer…

In Jerasa, nördlich der jordanischen Hauptstadt Amman gelegen, befinden sich die Ausgrabungen einer römischen Stadt, die zwischen dem 2.Jahrhundert vor und dem 6.Jahrhundert nach Christus von 20’000 Menschen bewohnt war. Eindrücklich ist die Grösse der Anlage, imposant die Tempel von Zeus und Artemis. Auch gab es dort ein Nymphäum (grosses, überdecktes Brunnenhaus), ein Hypodrom sowie ein Amphitheater.

Wie angespannt die jordanischen Behörden sind aufgrund der politischen Spannungen in der Region, zeigt sich darin, dass Übernachten im Camper in den Grenzregionen nicht toleriert wird. Dumm nur, dass es in Jordanien keine Campingplätze gibt. Und so stellt sich jede Nacht die Frage, ob der gewählte Ort akzeptiert oder ob man von Polizei oder Militär mitten in der Nacht weggewiesen wird. Zum Glück haben wir uns immer ausreichend in der Natur versteckt.

Wirklich unangenehm ist in Jordanien nur, dass die Preise in Restaurants und Lebensmittelläden offenbar abhängig sind von der Herkunft des Reisenden: Schon nur die Bemerkung «was, so viel?» oder «das kann nicht sein!» oder ein Stirnrunzeln führen dazu, dass nochmals gezählt wird – und dass es günstiger wird😊.

Der Weg nach Hause von Jordanien aus würde direkt durch Syrien in die Türkei führen. Damit liessen sich etwa 1500 Km Weg sparen. Diese Option bietet sich uns, seit Syrien vor wenigen Tagen die Grenze zu Jordanien und zur Türkei für Touristen geöffnet hat. Die politische Lage scheint uns aber zu unstabil, weshalb wir den Umweg – wie geplant – über den Irak unter die Räder nehmen – ein anstrengendes wie nervenaufreibendes Unterfangen. Denn erst müssen wir 300 Km nach Osten fahren an die irakische Grenze, dann gilt es, die mühsamen Grenzformalitäten zur Einreise in den Irak über uns ergehen lassen, danach werden wir von sich abwechselnden Militärkonvois ins 750 Km entfernte Kirkuk begleitet, wobei wir in der heiligen Stadt Samara beim Spiralminarett über Nacht sogar eingeschlossen werden zu unserem Schutz. Wir sind jedenfalls glücklich, gesund am Ziel anzukommen und in die Selbständigkeit entlassen zu werden, ohne dass wir eine Bedrohung wahrgenommen hätten. Aber wer weiss, wie es ohne Militärbegleitung gelaufen wäre…

Auf dem Weg zur türkischen Grenze kommen wir an Erbil vorbei, der vom Terror arg gebeutelten Hauptstadt von Kurdistan. Die Stadt macht einen sehr netten Eindruck und vermittelt uns das Gefühl, willkommen zu sein. So nehmen wir uns am späteren Nachmittag den Besuch der Zitadelle vor und begeben uns zum einen der zwei Eingänge. Der Pförtner gibt uns aber zu verstehen, dass die Zitadelle geschlossen ist und dass wir am nächsten Morgen wieder vorbeikommen sollen. Gesagt getan – aber erneut umsonst, denn am gleichen Ort erfahren wir, dass wir zum anderen Eingang gehen sollen. So zotteln wir zum zweiten Eingang – und werden erneut zum ersten zurückgeschickt. Auch das ist Arabien: Keiner will das Unangenehme mitteilen, dass ein Besuch wegen Renovation nicht möglich ist. Auf der «Piazza» mit vielen kleinen Restaurants und dem Bazar gleich unterhalb der Zitadelle gönnen wir uns einfaches Abendessen in friedlicher, gemütlicher Atmosphäre und sagen ein letztes Shoukran (Danke) und Afouan (Bitte). Dann heisst es für uns Yallah, Yallah (Forwärts) nach Hause.

Der Mittelmeerküste entlang geht’s durch die Türkei, dann durch Griechenland in der Hoffnung auf ein paar entspannende Tage an einem schönen Mittelmeerstrand. Daraus wird aber nichts, denn Wildcampen ist seit Anfang Jahr verboten. Dass dies von den Behörden durchgesetzt wird, erfahren wir von Bekannten, die kürzlich eine Busse von 300 Euro dafür bezahlen mussten.  So nehmen wir den Weg nach Igoumenitsa unter die Räder und buchen die Autofähre nach Italien. Jetzt zieht es uns ohne Umwege nach Hause.

Mashallah (Oh mein Gott), nun sind wir gesund und unfallfrei zu Hause angekommen – nach insgesamt 28’400 Km in 237 Tagen, durch 17 Länder mit 11 Sprachen und 6 Schriften 😏.  Entdeckt haben wir dabei die Navigationsapp «Organic Maps» als Alternative zu Google Maps, denn die funktioniert hervorragend ohne Internet, was entscheidend ist in der Wüste, wenn kein Netz vorhanden ist.

Dass Wasser ein unglaublich wertvolles Gut ist, dass wussten wir – besonders in den arabischen Ländern. Dass es aber auch uns Besuchern (fast) überall gratis zur Verfügung gestellt worden ist, hätten wir nicht erwartet. Dabei haben wir jedes Mal 100 Liter abgezapft und in unseren Wassertank gefüllt. Dass wir dafür einen Wasserkessel mehrmals in Toiletten füllen und zum Auto tragen mussten, bedeutete Krafttraining. Dass wir neben dem Wasserreinigungsgerät auch noch eine Pumpe mitgeführt haben, um das Nass in den Tank zu bekommen, läuft schon unter Luxus, für den wir unheimlich dankbar waren.

🚐 Übrigens bin ich während der Reise auch noch zur Waschmaschine geworden: Wie das geht? Sie weichen die Wäsche mit Waschpulver vor Abfahrt in einem wasserdichten Beutel ein und lassen sie von mir während der Fahrt kräftig durchschütteln. Nach Ankunft müssen sie sie nur noch spülen und trocknen lassen. Soo einfach und praktisch… 😏

Was wir jetzt schon vermissen:  Die wunderbaren Sonnenuntergänge auf den Dünen und den Morgenkaffee bei absoluter Stille und super Wetter. Behalten wollen wir jedenfalls das arabische Lebensmotto: Allah hat die Zeit geschenkt, von Eile hat er nichts gesagt 😊…

🤔Drei Monate sind nun vergangen seit unserer Rückkehr. Nun fragen wir uns, was diese Reise mit uns gemacht hat. Dass sich die politische Lage im arabischen Raum schnell verändern kann, war uns bewusst. Umso mehr sind wir froh, dass wir vor fast einem Jahr losgezogen sind.

Mit welcher erbarmungslosen Härte die Menschen im Gazastreifen behandelt werden und wie teilnahmslos die Welt dies zulässt, macht uns sehr betroffen und traurig, zumal es für die Palästinenser dort überhaupt keine Aussicht auf Frieden und Selbstbestimmung gibt.

Im Iran haben wir eine junge, fröhliche, weltoffene Bevölkerung angetroffen, die mit Charme und Beharrlichkeit dem starren Korsett des Regimes zu entfliehen versucht. Nun befürchten wir, dass viel davon durch die israelischen Angriffe auf die Regierungsvertreter und die Atomanlagen mittels Repression zunichte gemacht worden ist und wieder viel mehr Angst herrscht, zumal jeder als israelischer Spion verdächtigt werden kann und am nächsten Tag hingerichtet wird.

Es hat uns auf jeden Fall die Augen geöffnet für die arabische Sichtweise und das Bewusstsein gestärkt, dass auch wir durch unsere westlichen Medien beeinflusst sind…

Dass wir keine Nomaden sind, wussten wir schon von früheren Reisen. Es ist schön, unterwegs zu sein und Neues zu entdecken, dafür genügend Zeit zu haben, ist absoluter Luxus. Aber wieder nach Hause kommen, die wachsende Familie zu geniessen und die Freundschaften zu pflegen, gehört für uns genauso zu einem erfüllten Leben. Nun schwelgen wir in Erinnerungen und freuen uns auf das nächste Abenteuer… 😉

 

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